Seltsames Versteckspiel in New York
Vor fast 120 Jahren ermordeten deutsche Truppen ca. 120 000 Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Jetzt erst wird die Bundesreplik Deutschland in New York von Nachfahren dieser getöteten Herero und Nama auf Wiedergutmachung verklagt. Olle Kamellen, oder? Mitnichten! Das Thema – das ich schon länger aus Namibia sehr gut kenne – wirft interessante Fragen aus Sicht der Gerechtigkeit auf, die sauber geklärt gehören: Wie lange und zu welchen Konditionen sühnt man solchen Verbrechen? Kann man das mit Geld gutmachen oder ist eine solche unfassbare Straftat nur dann gesühnt, wenn die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden? Sollte das durch ein US-amerikanisches Gericht entschieden werden?
Die deutsche Geschichte ist voll von Massakern und Verstößen gegen die Menschlichkeit. Ob man nun Menschen in die namibische Wüste treibt, um sie dort qualvoll verdursten zu lassen und zusätzlich diejenigen erschießt, die fliehen wollen oder Menschen in Lager vergast, erschießt oder anders widerlich zu Tode zu bringt, macht keinen Unterschied. Beides ist verwerflich, abscheulich und gehört ausreichend gesühnt. Ohne Wenn und Aber. Zwar gilt das auch für alle anderen Machthaber dieser Erde, die in der Geschichte sich mit Blut befleckten, aber das ist eine andere Geschichte.
Geld beseitigt Schuld?
Fragt man Opfer oder Hinterbliebene von Gewaltverbrechen, so bekommt man von jedem die Antwort, dass Geld den Verlust nicht mehr gutmachen kann. Wie verhält sich das aber nun mit Ur-Enkeln und Ur-Ur-Enkeln, die ja die Opfer gar nicht mehr kannten oder hätten kennen können. Schnell drängt sich der Verdacht auf, dass hier geschichtliche Fakten, die unbestreitbar verwerflich sind, zum Anlass genommen werden, um sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Deshalb erscheint eine pauschale Abgeltung in einem Geldbetrag wenig sinnvoll, sinnvoller wäre es, den tatsächlichen Schaden gutzumachen und eine Entschädigung draufzupacken. Dies müsste aber gesondert geprüft werden. Dazu erfährt man aber nur wenig, es scheint es geht lediglich um eine Zahlung eines pauschalen Geldbetrages für das Unrecht. Da es eine pauschale Abgeltung von Ungerechtigkeiten oder massiven Unrecht nicht geben kann, erscheint dieser Vorstoß wenig angemessen.
Klage in New York statt Berlin
Ebenso stellt sich die Frage, warum ein US-amerikanisches Gericht bemüht werden muss. Dort sind ja bekanntlich die Schadensersatzsummen exorbitant höher als in jedem anderen Land. Schnell kommt die Vermutung auf, dass hier das Optimum herausgeholt werden soll. Aber mal ehrlich: Machen das nicht alle Menschen? Vermutlich schon, auch hier. Viel drängender scheint mir, warum Deutschland bisher pauschal sich einer Klärung entzogen hat und so eine entsprechende Klage erst provozierte. Haben wir Deutschen tatsächlich nicht die Größe, uns mit einer Abordnung aus Namibia zu treffen und dort in der Sache zu sprechen? Müssen wir es wirklich auf eine derartige Klage ankommen lassen und uns dann auch in dem Verfahren – wie geschehen – hinter nicht angenommenen Zustellungen verstecken und so lange nicht reagieren, bis ein völlig abwegiges Gericht ein Urteil fällt? Ist das tatsächlich notwendig? Ich denke nicht, da es entweder einen Anspruch gibt oder eben nicht. Sich auf Zustellungen und Verjährung oder Formalien zu berufen ist peinlich und in einem solchen Zusammenhang geradezu widerlich. Warum klärt man nicht einfach was passiert ist, legt die Karten auf den Tisch und hört sich an, welchen Schaden die deutschen Truppen tatsächlich verursacht haben. Da es sich um Mord an den Nama und Herero handelt, gilt: Mord verjährt nicht! Ebenso wenig sollten die damit zusammenhängenden Schadensersatzansprüche verjähren. Diese Größe sollte ein Land wie Deutschland haben! Selbstverständlich hat es dann auch das Recht genau zu prüfen, wie hoch der Schaden ist und muss sich nicht pauschalen Entschädigungen aussetzen. Und eines ist auch klar: das Urteil eines amerikanischen Gerichts dient dazu über diplomatischen Druck Deutschland zu einer möglichst hohen und pauschalen Zahlung zu bringen. Das hat mit Rechtsstaatlichkeit wenig zu tun.
Sind die Berechtigten die Begünstigten?
In Afrika, auch in Namibia, ticken die Uhren anders, besonders wenn es um Geld geht. Nepotismus unter den einzelnen Gruppierungen sind keine Seltenheit. Wer damit Erfahrung in Namibia oder Afrika hat, wird sich fragen: Ist es im Zusammenhang mit der Klage wirklich gewährleistet, dass die Entschädigung auch bei denen ankommt, die sie eigentlich bekommen sollten? Zu undurchsichtig und zu wenig transparent sind die Verhältnisse auf namibischer Seite. Wer vertritt wen? Welcher Clan entscheidet am Ende über die Verwendung der Gelder? Kommt man zu dem Ergebnis, dass sich möglicherweise nur einige die Taschen vollmachen könnten, während die Familien der Betroffenen wenig bis gar nichts bekommen, dann wäre das eine ebenfalls unerträgliche Ungerechtigkeit.
Fazit: Warum entsendet die Bundesrepublik Deutschland nicht einfach einen Entschädigungsbeauftragten nach Namibia, der sich exakt um diese Vorgänge kümmert. So stellt sich Deutschland seiner Verantwortung und stellt sicher, dass – falls es berechtigte Ansprüche sind -alles auch bei den Betroffenen ankommt. Nicht zu reagieren und sich in New York verklagen zu lassen, ist dagegen in meinen Augen unverständlich, würdelos und fast schon peinlich. Seine Schuld muss man selbst und direkt klären. Nur das zeigt Größe und führt zu angemessenen Ergebnissen. Das ist Rechtsstaatlichkeit und für die rühmt sich Deutschland ja sehr oft…