Studie zur Gerechtigkeit: Wie wichtig ist Gerechtigkeit tatsächlich und gibt es sie tatsächlich?
Gerechtigkeit ist verstärkt Thema und quasi momentan in aller Munde. Mal verspricht ein Kandidat im Wahlkampf mehr Gerechtigkeit, mal fordert eine Interessengruppe oder ein Opfer seine Gerechtigkeit. Ein guter Anlaß, sich mit Fakten auseinandersetzen und zu fragen: Wie wichtig ist den Menschen Gerechtigkeit und wie ist es eigentlich um die Gerechtigkeit bestellt.
Die erste Zahl ist erschreckend: 23 % aller Manager würden täuschen und tricksen, gegen (ethische) Regeln verstoßen, wenn es dem eigenen beruflichen Fortkommen dient. Damit liegen deutsche Manager über dem Durchschnitt und weltweit auf Platz 3 der Negativtabelle. Zum Vergleich: In Westeuropa liegt der Schnitt bei 14 %, weltweit bei 21 %. Unschwer zu erkennen, dass selbst Manager in sogenannten „korrupten“ Ländern besser abschneiden, was Ehrlichkeit angeht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es eine hohe Chance auf Ungerechtigkeiten gibt. Genauer gesagt fast 1/4 aller Manager in der Wirtschaft sind eine potentiellen Gefahr für die Gerechtigkeit
Wie schneidet die Justiz ab
Spannend ist in dem Zusammenhang, dass 60 % der Menschen (Quelle: Allensbach im Auftrag Roland Rechtsschutz) denken, vor dem Gesetz ist man nicht gleich. Das wirft die Fragen auf. Verhalten sich Manager nur deshalb so, weil sie wissen, dass sie nichts zu fürchten haben? Oder, weil die Strafen zu niedrig sind oder weil sie sich aufgrund der um sie herum befindlichen Unternehmens- oder Konzernhülle die eigene Unantastbarkeit vermuten? Vermutlich ist es die Kombination. Eine eindeutige Zuordnung lassen die Allensbach Zahlen hier nicht zu.
Nimmt man dann noch die Antworten zur Frage hinzu, ob die Menschen die Urteile deutscher Gerichte als gerecht empfinden, wird es noch dramatischer. Nur 44 % der Befragten empfinden die Urteile deutscher Gerichte als gerecht. Auch, wenn die Zahlen aus dem Jahre 2010 stammen, so ändert sich nichts an ihrer Gültigkeit. Vielmehr steht zu vermuten, dass sich die Werte zu Lasten der Gerichte weiter in Richtung ungerecht verschoben haben dürften.
Das gibt dann folgendes Bild.
Knapp ein Viertel würden täuschen, wenn es Ihnen nützt. Dem eigentlich notwendigen Korrektiv, den Gerichten, trauen weniger als die Hälfte der Menschen zu, gerechte Urteile zu sprechen. Zusätzliche 60 % denken, dass vor dem Gesetz eh nicht alle gleich sind. Das lässt nur eine Bewertung zu: So produziert man die sog. Abgehängten, die sich dann den Populisten zuwenden. Woher kommt dieses Auseinanderfallen von Recht und gefühlter Gerechtigkeit? Gerechtigkeit ist eine Emotion, während Recht ein Vorschriftensystem ist. Dieses Vorschriftensystem ist dazu da, die Gesellschaft zu steuern, nicht ihr Gerechtigkeit zu geben. Hinzu kommt, dass die Vorschriften auch durch Interessengruppen und Lobbyisten massiv beeinflusst werden. Die Intransparenz und Unübersichtlichkeit des Paragrafendschungels tun dann noch ein übriges. Auch das trägt zum Auseinanderfallen der Gesellschaft bei.
Kann die Gesellschaft das Gefühl der Ungerechtigkeit auffangen?
Abfedern kann dies nur eine Gesellschaft, die soziale Gerechtigkeit verspürt. Auch hier gibt es Zahlen. 45 Millionen Deutsche, also mehr als die Hälfte, legen Wert auf soziale Gerechtigkeit. Aber: 67 % sind der Auffassung, es geht in Deutschland nicht sozial gerecht zu. 58 % halten die wirtschaftlichen Verhältnisse für nicht gerecht, während nur 21% sie als gerecht einstuften. Die restlichen 21 % (!!) hatten keine Meinung. Warum das so ist, auch darüber gibt es keine Informationen. Ist es Frust, weil die Menschen glauben, es ändert sich sowieso nichts? Oder Desinteresse, weil man sich schon entkoppelt hat? In jedem Fall steht fest, dass offensichtlich die meisten Menschen kein gutes Bild in punkto Gerechtigkeit von Deutschland haben. Auch das treibt den Populisten Menschen zu.
Trotz allem wird es trotzdem keine US-amerikanischen oder französischen Machtverhältnisse bei uns geben. Zum einen, haben wir andere Gesetze, zum anderen eine andere Geschichte. Aber die meisten Menschen hierzulande sind doch so vom Sicherheitsgedanken geprägt, dass sie Veränderungen ablehnen und stattdessen lieber über die „ungerechten“ Verhältnisse reden bzw. sich aufregen und mit dem Zusatz „man könne da eben nichts ausrichten“ alles so lassen, wie es ist. Zumindest in mehrheitsfähigen Kategorien gedacht. Also keine Gefahr, auch wenn sich dringend was ändern müsste, um die Chancengleichheit zu erhalten. Dazu muss man aber das gesamte Wirken auf Chancen auslegen und nicht nur den staus quo beschützen. Die dadurch entstehende vermeintliche finanzielle Sicherheit nutzt nämlich nur Wenigen, während der Rest sich um die verbliebenen Krümel balgen muss. Unser Steuersystem und die Tatsache, dass Erben und Heiraten nach einer Studie wesentlich über den sozialen Aufstieg und die Chancen entscheiden, spricht Bände. Wir sollten den Mut haben und die Dinge verändern. Als Gedankenanstoß sei eine Steuerreform zur Entlastung von Arbeitseinkommen, stärkere Förderungen von Innovationen und transparentere Gerichtsverfahren genannt. Die Liste ist noch länger, wenn wir sie nicht anfangen abzuarbeiten, kann es schnell zu spät sein.
Mehr Informationen zur gesamtem Studie über das Kontaktformular.